Wie werden die Kliniken energieeffizient, Martin Lackner?

Shownotes

Knapp 7 Prozent der österreichischen Emissionen stammen aus dem Gesundheitswesen, ein großer Teil davon aus den Kliniken. Doch wie lässt sich ein komplexes System wie eine Klinik klimafit machen? Und wie schafft man es dabei nicht die Versorgung zu gefährden? Damit beschäftigt sich Martin Lackner, als Energiecontroller der Tirol Kliniken. In dieser Folge nimmt er uns mit in seine Arbeit.

Fürs Klima aktiv werden:

  • Mehr über das Projekt Hotspots, mit dem die Tirol Kliniken ihre Scope 3 Emissionen gemessen haben, findest du hier.
  • Eine gute Erklärung der Unterscheidung ziwschen Scope 1,2 und 3 findest du hier.

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00:00:00: Martin Lackner: Jedem muss bewusst sein, das Thema Umweltschutz und Gesundheit ist sehr stark verbunden, denn nur in einer gesunden, intakten Umwelt können die Leute auch gesund bleiben. Und wichtig ist auch die Prävention.

00:00:13: Jannik Hiddeßen: Herzlich willkommen zum Klimadialog, dem Podcast von klimaaktiv. Mein Name ist Jannik Hiddeßen und gemeinsam mit euch stelle ich mir die brennendste Frage unserer Zeit: Wie schaffen wir das mit dem Klima? Dazu spreche ich mit Österreichs Klimaidolen, also den Menschen, die uns Mut machen, die anpacken und vorangehen. Zusammen finden wir heraus, was wir von ihren Erfolgsrezepte lernen können.

00:00:40: Jannik Hiddeßen: Wusstest du, dass das Gesundheitssystem in Österreich für knapp 7 % aller CO2 Emissionen verantwortlich ist? Für mich war diese Information tatsächlich neu und sie hat mich ein bisschen zum Grübeln gebracht. Denn Krankenhäuser, Arztpraxen und die Rettung sind ja letztendlich dazu da, uns möglichst gesund zu halten und im Ernstfall Menschenleben zu retten. Da stellt sich natürlich die Frage, wie man dieses System reformieren kann, ohne während der Umstellung die Versorgung zu gefährden.

00:01:06: Jannik Hiddeßen: Unter anderem diese Frage besprechen wir heute mit Martin Lackner von den Tirol Kliniken. Wir finden heraus, wie die Krankenhäuser zu Vorreitern des Klimaschutzes werden können, welche Herausforderungen es dabei gibt und wieso die Verbindung zwischen Gesundheit und Klima noch viel stärker thematisiert werden müsste. Aber lernen wir Martin erst einmal kennen.

00:01:24: Martin Lackner: Mein Name ist Martin Lackner. Ich bin tätig bei Tirol Kliniken als Controller und befasse mich schon relativ lange Zeit mit Energie, Energieeffizienz und Umwelt im Gesundheitswesen.

00:01:36: Jannik Hiddeßen: Wie bist du diesem Job gekommen? Was fasziniert dich daran?

00:01:39: Martin Lackner: Ja, ursprünglich war ich in der Krankenhausplanung tätig, einige Jahre und als technischer Control im Krankenhaus tätig und dann auch stark mit dem Fokus Energie beschäftigt. Und aus Energie hat sich immer stärker dann das ganze Klimathema entwickelt. Also Energie ist Energieverbrauch, hat einen Einfluss auf die Umwelt und aber es ist nicht alles nur Energie. Es gibt viel Drumherum. Ob das Versiegelung ist, ob das die Auswirkungen von Emissionen aus Klimagasen oder Narkosegase ist.

00:02:11: Martin Lackner: Es gibt sehr vieles Drumherum noch.

00:02:14: Jannik Hiddeßen: Wenn wir jetzt mal aus der Perspektive eines Energiemanagers einen Blick in so eine Klinik reinwerfen, welche Bereiche benötigen denn da vor allem deine Aufmerksamkeit?

00:02:24: Martin Lackner: Ja, viele Leute fragen sich ja was braucht denn ein Krankenhasu so viel Energie? Am meisten brauchen Lüftungsanlagen, denn im Krankenhaus sind sehr viele Räume belüftet. Die brauchen große Luftwechselraten und Luft muss man erwärmen, muss man kühlen, muss man vielleicht entfeuchten, befeuchten. Und das braucht im Krankenhaus sehr viel Energie. Und Krankenhäuser sind ja eigentlich wie große Städte.

00:02:50: Martin Lackner: Wenn ich an Innsbruck denk, wir haben da rund 7000 Beschäftigte nur vom Land, da kommen doch von der Klinik Leute dazu, Besucher, Patienten, Studenten. Und da hat man gleich mal 12 - 14.000 Personen, die da ein- und ausgehen in so einer Klinik. Entsprechend hoch ist auch der Energieverbrauch.

00:03:09: Jannik Hiddeßen: Und was macht man dann dagegen? Also wie stellt man diese, Ich kann mir das gut vorstellen, diese riesen Luftumwälzanlagen, die befeuchten, kühlen, wärmen. Wie stellt man das dann um, dass es klimaneutral oder zumindest klimafreundlicher ist?

00:03:22: Martin Lackner: Ja man hat viele Hebel. Einmal muss man überlegen, welche Räume brauchen wirklich, welche Luftqualität in welcher Menge und wann? Also das Thema Zeit Programm kann man optimieren. Es muss nicht die Lüftungsanlage in voller Leistung 24 Stunden durchrennen. Vielleicht kann man da was optimieren. Und das große Thema ist immer auch die Wärmerückgewinnung. Und wenn ich dort die Wärme rückgewinne, hab ich schon viel gespart.

00:03:45: Martin Lackner: Aktuell sind Themen drin wie Kälterückgewinnung, denn das Kälte-Thema wird uns zukünftig wesentlich mehr beschäftigen.

00:03:53: Jannik Hiddeßen: Es gibt ja noch andere Bereiche, außer die Luft und die Wärme und die Kälte. Was ist noch so in deinem Aufgabenbereich?

00:04:01: Martin Lackner: Ja da fällt viel rein. Ob das jetzt von der Beleuchtung ist, das hat zwar keinen großen Einfluss, aber ist einfach sichtbar. Aber es sind auch die Antriebe ein großes Thema. Es ist so wie im privaten Bereich, man hat viele Sachen, wo man Energie sparen kann. Im Krankenhaus ist alles nur ein bisschen größer. Es fängt an beim Standbyverlust. Daheim hat man vielleicht eine Anlage, die durchläuft, im Krankenhaus ist es vielleicht ein Gerät, das man vielleicht abschalten könnte, wenn man es nur sporadisch braucht.

00:04:27: Martin Lackner: Aber auch hier kann man sparen. Auch bei den Kühlschränken, im Krankenhaus hat man vielleicht mehr Kühlschränke, die vielleicht ein bisschen tiefere Temperaturen haben. Aber auch im privaten Bereich, wenn ich den Kühlschrank richtig befülle, wenn ich drauf schau, wie er steht, kann man Energie sparen und so kann man auch im Krankenhaus Energie sparen.

00:04:46: Jannik Hiddeßen: Jetzt kannst du als Energiemanager wahrscheinlich aber nicht einfach losgehen und diese Bereich alleine umbauen, oder? Mit wem musst du dich absprechen? Wie funktioniert da die Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Klinik?

00:04:56: Martin Lackner: Allein kann man sowieso nix machen, man hat immer ein Team. Und das ganze ist immer eine Teamarbeit oder ein Teamerfolg und man hat dann überall Unterstützer die einem zusammen helfen. Ob das jetzt Energietechniker vor Ort sind, ob das jetzt die Haustechniker sind, man hat überall Unterstützer und die machen dann die Arbeit vor Ort. Wir im Energiemanagement sind mehr oder weniger der Kopf am Ganzen.

00:05:22: Martin Lackner: Steuern, regeln das Ganze, aber es braucht immer die Leute, die es dann umsetzen.

00:05:27: Jannik Hiddeßen: Du hast gerade gesagt, Krankenhäuser, Kliniken sind eigentlich wie eine kleine Stadt. Wenn ich an eine Klinik denke, denke ich auch an sehr große Gebäudekomplexe. Da hat man ja sehr viel Wand- und Dachfläche eigentlich. Ist das eine Chance, wie nutzt man das optimal?

00:05:40: Martin Lackner: Ja, das Problem bei Dachflächen ist immer, dass es nicht immer so schöne Flachdächer sind und oft hat man Lüftungsanlagen oben stehen, so Technik-Aufbauten. Die brauchen auch Platz. Und eigentlich müssen wir schauen, dass wir uns Retentionsflächen bilden, dass wir den Wasserhaushalt wieder in Ordnung bringen, aber auch die Dachfläche nutzen. Ob das jetzt für PV-Anlagen ist, ob das jetzt für Dachgarten für Mitarbeiter ist, die Dächer gehören genutzt und das Thema ist, dass man wirklich schaut, dass man möglichst viel aus den Flächen, die man zur Verfügung hat, rausholt.

00:06:19: Martin Lackner: Also wir nutzen aktuell Dachflächen auch für PV Anlagen. Das Thema ist nur so, dass die Dachaufbauten das ganze relativ einschränken. Das heißt in einem normalen Krankenhaus schafft man es vielleicht, dass man 10 % vom Strombedarf so erzeugen kann. In so einem hochkomplexen Klinikum sind es dann vielleicht 2 oder 3%.

00:06:42: Martin Lackner: Die Flächen sind beschränkter, der Verbrauch ist wesentlich höher als in einem Standard-Krankenhaus.

00:06:48: Jannik Hiddeßen: Welche Technologien braucht es denn vielleicht abgesehen von Solarpanels, um eine Klinik energieeffizient zu machen? Worauf kommt es da an?

00:06:56: Martin Lackner: Ich glaube die Technologien haben wir schon großteils. Es geht nur um die Anwendung, also es ist durchaus möglich, ein Krankenhaus mit Wärmepumpen zu versorgen. Da haben wir schon welche im Einsatz. Ob das jetzt in Schwarz ist. Das Bezirkskrankenhaus Schwarz wurde umgerüstet von Gaskessel auf Wärmepumpe. In Hall zum Beispiel haben wir auch schon Wärmepumpen im Einsatz, aber auch in Innsbruck. Das Problem ist teilweise nur, auch speziell in Innsbruck, die Dampf-Versorgung. Da gibt es historisch gewachsene Dampf-Netze, die verlangen einfach hohe Temperaturen im Bereich von 165 Grad und das ist mit Wärmepumpen relativ schwierig zu erreichen.

00:07:34: Jannik Hiddeßen: Das braucht man zum Desinfizieren oder für was braucht man den Dampf?

00:07:37: Martin Lackner: Das braucht man in der Küche, für die ganzen Reinigungsanlagen, Waschanlagen von Patientengeschirr, von Töpfen oder auch für Sterilisation, das heißt die medizinischen Instrumente werden gereinigt. Aber auch im Winter für Befeuchtung, zum Beispiel damit die Raumklimatisierung entsprechend funktioniert.

00:07:59: Jannik Hiddeßen: Und das funktioniert mit Wärmepumpe nicht?

00:08:02: Martin Lackner: Es gibt Einzellösungen, aber technisch ist das noch sehr, sehr schwierig umzusetzen und ineffizient. Da ist einfach das Thema, dass man versucht den Dampfverbrauch möglichst zu reduzieren und dann eher Richtung direkte Dampferzeuger, elektrisch geht, die wäre da effizienter. Und die Heizung per se müsste eigentlich mit Wärmepumpen funktionieren. Da haben wir schon bewiesen. Und für die Raumnutzung reicht der Bereich von einer normalen Wärmepumpe.

00:08:30: Jannik Hiddeßen: Sind diese Beispiele von Kliniken, die jetzt schon umgestellt haben, eher Ausnahmen oder wird es zur Regel? Wie weit sind wir da schon in dem Umbau?

00:08:39: Martin Lackner: Wir und auch andere haben bewiesen, dass es funktioniert. Es gibt schon ein paar Krankenhäuser mittlerweile auf diesem Pfad. Zum Beispiel das Bezirkskrankenhaus Reutte rüstet auch um auf Wärmepumpe Es hat sich gezeigt, es funktioniert. Es braucht allerdings Mut, Überzeugungsarbeit und gute Techniker, die das planen und umsetzen.

00:08:58: Jannik Hiddeßen: Neben technischen Lösungen geht es beim Energiesparen, du hast es gerade beim Dampf schon angesprochen, darum auch, wahrscheinlich Verhaltensweisen zu ändern, um allgemein den Energiebedarf zu senken. Wie ist da denn die Balance zwischen, einerseits wir stellen es technisch um und wir müssen unser Verhalten ändern in der Klinik.

00:09:16: Martin Lackner: Verhalten ändern ist vielleicht schon ein bisschen zu weit gegriffen. Wir fangen da an bei Bewusstseinsbildung, dass man schon überlegt, generell, muss das Licht durchbrennen oder kann man es ausschalten. Oft sind es nur Kleinigkeiten. Muss sich an heißen Sommertagen den Sonnenschutz oben haben, Fenster offen haben und sagen, es ist zu heiß. Also es gehört immer eine gute Portion Hausverstand dazu. Nach dem Motto: Zu Hause würde ich es ja auch nicht so machen.

00:09:43: Martin Lackner: Und in einem großen Betrieb ist immer weider das Thema, die Mitarbeiter informieren und wieder bissl wachrütteln und darauf aufmerksam machen, dass jeder kleine Schritt, was man da beiträgt, auch hilft dem Ganzen.

00:09:58: Jannik Hiddeßen: Das finde ich auch eine spannende Frage, die ich mir gestellt hat. Wie kommuniziert ihr das Thema Energieeffizienz und Klima Themen an die Mitarbeitenden? Ich kann mir vorstellen, dass gerade in der Pflege die Mitarbeiterinnen auch andere Dinge im Kopf haben bei der Arbeit und es oft stressig werden kann und solche Sachen dann vielleicht eher in den Hinterkopf geraten.

00:10:13: Martin Lackner: Ja, es war am Anfang schwierig, das medizinische, pflegerische Personal dafür zu gewinnen. Die haben tatsächlich was Wichtigeres. Aber mittlerweile, mit der ganzen Klimadebatte, ist auch dort das Umdenken passiert. Und auch die jüngeren Mitarbeiter:innen haben da ein bisschen einen anderen Zugang dazu. Also wir arbeiten auf sehr vielen Kanälen, um das ganze Bewusstsein herzubringen, ob das jetzt Präsenzveranstaltungen sind, Broschüren, sehr viel läuft im Intranet.

00:10:41: Martin Lackner: Aber wir haben auch ein Online E-Learning für Mitarbeiter:innen, wo das Thema Energieeffizienz, Energiesparen im Betrieb, aber auch im privaten Betrieb neu gebracht wird.

00:10:52: Jannik Hiddeßen: Letztendlich geht es in einem Krankenhaus ja am Ende des Tages um das Retten von Menschenleben. Und da sind wahrscheinlich auch einfach energieintensive Abläufe notwendig, um eine gute Versorgung zu gewährleisten, gehe ich von aus. Wie viel Energie kann man denn tatsächlich einsparen bei einer Klinik, ohne die Gesundheitsversorgung zu beeinträchtigen?

00:11:09: Martin Lackner: Ja, ich habe jetzt mal ein bisschen die Zahlen rausgesucht. Wir feiern jetzt ja 20 Jahre klimaaktiv. Jetzt habe ich mal geschaut, wie hat sich denn die Tirol Kliniken in den letzten 20 Jahren entwickelt? Bei den Beschäftigten sind wir 67 % raufgegangen. Wir haben nun 64 % mehr Betten. Wir haben ein Landeskrankenhaus dazubekommen, haben 47 % mehr Grundfläche, das heißt mehr Fläche zur Verfügung haben, aber nur 5 % mehr Energie verbraucht und das sagt sehr viel.

00:11:39: Martin Lackner: Es ist vieles möglich mit engagierten Leuten, mit gutem Planen. Und wir müssen weiter runter mit Energieverbrauch. Aber es geht. Man muss einfach am Ball dran bleiben. Aber Energie ist ja nur ein Thema. Es gibt genauso noch andere Emissionen im Krankenhaus. Ein Beispiel sind Narkosegase, ist ein Thema, das am Rande immer mitspielt. Wenn man bedenkt, eine Portion Desfluran

00:12:05: Martin Lackner: Das ist ein Fläschchen, 240 Milliliter, das hat einen CO2-Impact von 893 Kilogramm. Entspricht einer Fahrstrecke von fast 6000 Kilometer mit einem PKW. Und das ist jetzt auch Thema in den Krankenhäuser, dass man das Desfluran ersetzt durch andere Produkte, dass man generell nachdenkt, wie geht man mit Narkosegasen um? Kann man das durch die - Verhalten ist ganz wichtig - durch andere Dosierung, kann man da was machen?

00:12:36: Martin Lackner: Und aktuell ist das Thema auch: Narkosegase, dass man die einfach wieder speichert und dem Kreislauf wieder rückführt. Dass man Recycling-Narkosegase einsetzt. Also auch in diesem Bereich tut sich sehr viel, abseits von der ganzen Energie. Und jedem muss bewusst sein: Das Thema Umweltschutz und Gesundheit ist sehr stark verbunden, denn nur in einer gesunden, intakten Umwelt können die Leute auch gesund bleiben.

00:13:03: Martin Lackner: Und wichtig ist einfach die Prävention. Denn wenn der ganze Klimawandel fortschreitet, sind auch die Krankenhäuser sehr viel stärker belastet, ob das Herz-Kreislauf-Themen sind oder andere. Wenn einfach das Stadtklima nicht mehr funktioniert, wenn die ganzen Tropennächte wesentlich mehr ansteigen, sind die Belastungen für den Körper wesentlich höher und das heißt konkret das Krankenhaus ist noch stärker belastet. Und auch das Krankenhaus hat das Thema.

00:13:29: Martin Lackner: Das sind nicht alle Räume gleich gekühlt, also ist es technisch auch da ein Riesenaufwand. Und auch wenn man weiterdenkt Richtung Umweltschäden, Unwetter. Das ist auch ein Riesenthema für die Krankenhäuser. Wie können die Resilienz aufbauen, dass sie auch für zukünftige Themen gewappnet sind?

00:13:48: Jannik Hiddeßen: Jetzt haben wir ja schon einen ganz guten Überblick bekommen, welche Bereiche im Krankenhaus entscheidend für die Klimabilanz sind. Vor allem den Aspekten mit den Narkosgasen fand ich sehr interessant. Mir war nicht bewusst, dass diese zum Teil mehr als 1000fach klimaschädlicher als CO2 sind. Neben den Emissionen, die in der Klinik selbst entstehen, gibt es aber noch die sogenannten Scope 3 Emissionen.

00:14:08: Jannik Hiddeßen: Kurz gesagt werden die Emissionen eines Unternehmens nämlich in drei Kategorien unterteilt: Scope 1 Emissionen entstehen bei den Unternehmen selbst, zum Beispiel durchs Heizen oder die Mobilität. Zu Scope 2 werden Emissionen aus eingekaufter Energie gezählt, die zum Beispiel bei der Stromerzeugung außerhalb des Unternehmens anfallen. Scope drei hingegen beschreibt die Emissionen, die anhand der gesamten Wertschöpfungskette entstehen, also durch Zulieferer.

00:14:31: Jannik Hiddeßen: Und davon hat ja auch eine Klinik eine ganze Menge seien es Pharma- oder Lebensmittelkonzerne. Von Martin wollte ich daher wissen, wie sich die Scope 3 Emissionen einer Klinik reduzieren lassen.

00:14:42: Martin Lackner: Ja, Scope 3 ist ein großes Thema. Wir haben bei einem Projekt mit klimaaktiv zusammengearbeitet. Das nennt sich Hotspots und da ist es darum gegangen, zu identifizieren, wie die Emissionen sich zusammensetzen. Und bei uns im Krankenhaus ist es so, dass nur 16 % auf Scope 1 und 2, sprich auf die Energie entfallen. Das heißt, 84 % davon sind Scope 3, das heißt die indirekten, vorgelagerten, nachgelagerten Emissionen.

00:15:12: Martin Lackner: Und da ist der größte Teil die Beschaffung. Das heißt im Krankenhaus ist das Einkaufsthema rießig. Ob es jetzt anfängt von den Latex-Handschuhen bis zu Medikamenten, ist ein breites Feld. Und das Problem davon ist, dass die Erzeugung nicht vor Ort passiert, sondern ganz in der Welt verstreut. Und oft hat man auch nicht Einblick, wie das ganze produziert wird.

00:15:36: Martin Lackner: Und das ist ein großes Thema, zukünftig für die Krankenhäuser, auch dort einen Beitrag zu leisten.

00:15:43: Jannik Hiddeßen: Wie könnte euer Beitrag da aussehen? Was macht ihr da konkret?

00:15:46: Martin Lackner: Ja, es geht darum, die Lieferketten einfach zu hinterfragen. Man hat auch in der Covid-Zeit gemerkt, dass das Lieferketten Thema sehr fragil ist. Sehr schnell kann ein Lieferant ausfallen und dass man schaut, vielleicht kann man vor Ort die Beschaffung machen, wenn das preislich möglich ist. Man hat anderseits die Hersteller im Umfeld, national, europäisch gestärkt und man hat auch das Lieferketten-Thema entschärft.

00:16:14: Martin Lackner: Es fängt an bei der Verpflegung, dass man schaut, Fleisch reduzieren, zum Beispiel pflanzlichen Anteil erhöhen. Es gibt viele Aspekte, die da reinfallen. Die Beschaffung ist sehr vielfältig.

00:16:29: Jannik Hiddeßen: Das heißt, es geht einerseits um die Auswahl der Beschaffungen, der Zulieferer. Habt ihr als großer Kunde, als große Klinik auch Einfluss auf die Nachhaltigkeitkonzepte bei euren Zulieferern? Könnt ihr darauf einwirken?

00:16:42: Martin Lackner: Als einzelnes Krankenhaus hat man relativ wenig Einfluss. Es sind ja viele internationale Konzerne dahinter. Das sind wir unerheblich. Aber natürlich, wenn man ein Netzwerk hat, aus anderen Kliniken und sich dort zusammentut, dann hat man schon eine bestimmte Macht. Und wenn zehnmal nachgefragt wird zu einem bestimmten Thema, dann merkt vielleicht auch der Vertriebsleiter, dass das Thema zukünftig brisanter wird. Auch in diesem Zusammenhang ist es wichtig, Netzwerke zu bilden zwischen Krankenhäusern und entsprechend die Themen an die Öffentlichkeit zu bringen und dort Gehör zu verschaffen.

00:17:18: Jannik Hiddeßen: Das heißt, ihr geht auch wirklich mit dieser Vorbildfunktion nach außen und versucht das in die Welt zu tragen? Ich meine, du bist jetzt auch hier, aber auch darüber hinaus?

00:17:25: Martin Lackner: Genau, unbedingt. Wir sind in öffentlicher Hand. Wir werden von Steuermitteln finanziert. Und das ist unser Auftrag, auch in Richtung Selbstschutz. Wenn wir nichts beitragen, wer soll es dann machen? Man spricht bei Krankenhäusern, dass sie ungefähr -knapp 7 % der Emissionen in Österreich kommt aus dem Gesundheitswesen, und ungefähr ein Drittel davon stammt von den Krankenhäusern. Also Krankenhäuser tragen sehr viel bei zu den Emissionen, und deshalb ist es wichtig, dass wir als Krankenhaus für uns selber unseren Beitrag leisten, aber auch Vorreiter sind.

00:17:56: Martin Lackner: Denn wenn ein Krankenhaus mit Wärmepumpen heizen, kann das jeder Private auch. Und das ist so ein bisschen das Thema, das ich mir umgehängt habe. Wir als Gesundheitswesen sollten in der Richtung einfach Vorreiter sein und zeigen, es geht, wenn man sich hinter das Thema klemmt.

00:18:12: Jannik Hideßen: Ich würd gerne noch mal darauf eingehen auf dieses Thema, diese Wechselwirkungen zwischen Klima und Gesundheit und wie man sich darauf vorbereitet. Ich meine die Hitze Toten steigen ja auch jedes Jahr an. Welche Maßnahmen trefft ihr konkret, um euch an diese heißere Welt anzupassen?

00:18:28: Martin Lackner: Das Thema ist, wir haben ja schon vor ein paar Jahren angefangen, unsere Heizsysteme umzubauen, oder neu zu denken. Also wir arbeiten aktuell mit aktivierten Estrichen, das heißt die Estriche dienen für die Heizung, aber auch für die Kühlung. In Innsbruck haben wir das Privileg, dass wir sehr viel Brunnenwasser zur Verfügung haben. Mit diesem werden jetzt Wärmepumpen gespeist, aber auch damit wird gekühlt, das heißt das Brunnenwasser wird mit elf Grad aus dem Erdreich entnommen, fließt dann zum Beispiel durch die Fußboden-Kühlung und hat dort die Wärme entzogen aus dem Raum und im Nachgang wird diese Wärme wieder mit Wärmepumpen unter anderem genutzt. Und daraus kann zum Beispiel Warmwasser wieder erzeugt werden.

00:19:16: Martin Lackner: Also Thema: In Kreisläufen denken. Und das Thema ist: Zukünftig müssen wir unseren alten Gebäudebestand auch in der Richtung aufrüsten, dass mehr Gebäude aktiv kühlen können. Denn die Hitzetage, die steigen. Das muss jedem bewusst sein. Ein anderes Thema ist auch: in Innsbruck, wir sind da exponierter. Hochwasserschutz ist ein Thema. Dass man da auch entsprechend Vorkehrungen getroffen hat, dass es Pläne gibt, wie man im Katastrophen-, Krisenfall damit umgeht und das das Team, das dahinter steht entsprechend geschult ist und im Training ist, dass es dann auch funktioniert.

00:19:47: Martin Lackner: Also man muss sich auf Umweltgefahren einfach vorbereiten und entsprechend Pläne haben. Gleiches Thema ist: Hitzeschutz-Pläne für die Patienten, aber auch für die Mitarbeiter. Das nützt nichts, wenn Hitzeperioden sind und die Mitarbeiter sind ausgelaugt und können auch nicht mehr im Dienst bleiben. Also es geht darum, man muss beide schützen.

00:20:11: Jannik Hiddeßen: Ihr seid ja wahrscheinlich auch mit vielen anderen Kliniken Austausch in ganz Europa. Gerade südliche Länder sind ja jetzt wahrscheinlich schon mehr betroffen und haben wahrscheinlich auch schon andere Maßnahmen entwickelt, um gegen diese Hitzewellen vorzugehen. Kann man sich da was abschauen?

00:20:26: Martin Lackner: Unbedingt. Netzwerke sind wichtig, man lernt ja voneinander, muss nicht immer alles selber erfinden und die gleichen Fehler machen. Also wir sind unter anderem bei einem Projekt dabei, das nennt sich Mount Adapt, wo es auch darum geht, im alpinen Raum Anpassungen an den Klimawandel - und wie man dann auch von anderen Regionen lernen können, die schon klimatische Änderungen hinter sich haben.

00:20:51: Martin Lackner: Und der Klimawandel schreitet unweigerlich fort. Jetzt geht es nur darum, wie können wir uns am besten darauf vorbereiten?

00:20:59: Jannik Hiddeßen: Was habt ihr euch da konkret abgeschaut? Hast du ein Beispiel von anderen Kliniken?

00:21:03: Martin Lackner: Ja, wir sind zum Beispiel - es ist ein Prozess, wo man jetzt momentan noch in der Diskussion ist. Und das Thema ist, wie man umgeht mit der Entsiedlung, wie man umgeht auch mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Dass die auch im Areal Ruheräume haben, die verschattet sind. Weil man braucht auch, wenn der Arbeitstag anstrengend ist, Pausenzeiten und, dass man da einfach verschattete Räume hat. Das ist sicherlich eines der großen Themen bei uns, dass man das Klinik Areal für Hitze resistent macht.

00:21:39: Martin Lackner: Also nicht nur die Gebäude selber, sondern das Areal, denn die Klinik ist in Innsbruck einer der beiden Hitze-Hotspots. Einfach weil wir auf den acht 8,5 Hektar sehr viele Gebäude haben und einen hohen Verdichtung haben und hier muss man einfach Adaptierungen vornehmen zukünftig.

00:22:00: Jannik Hiddeßen: Wenn ihr so im Austausch seid mit Kliniken in ganz Europa, ist das Thema schon überall angekommen? Also wie präsent ist das Thema Klima?

00:22:10: Martin Lackner: Das ist unterschiedlich. Wir hatten Kontakt mit Hamburg zum Beispiel. Da ist das Thema Kühlung noch nicht so präsent.

00:22:17: Jannik Hiddeßen: Weil es nördlicher ist einfach?

00:22:18: Martin Lackner: Ja, ich glaub, da ist der Hitzestress noch nicht so angekommen und das Thema Wärmepumpen-Nutzung war dort noch vollkommen neu und auch Brunnenwasser-Nutzung für Kühlzwecke. Also ist sicher auch ein bisschen von der geographischen Lage und auch von der Betroffenheit, aber das ist auch das Thema generell vom Klimawandel, dass die Betroffenheit unterschiedlich verteilt ist. Wie man sieht jetzt: Die Katastrophen in Österreich: Regionen sind kleinräumig stark betroffen, andere weniger und bei betroffenen ist das Thema stark präsent.

00:22:53: Martin Lackner: Und bei anderen: Joah es hat einmal geregnet. Das ist, glaube ich, auch Auswirkung vom Klimawandel. Es isst nicht alles gleichmäßig verteilt und deswegen ist die Herangehensweise auch unterschiedlich.

00:23:04: Jannik Hiddeßen: Und diejenigen, die am stärksten betroffen sind, nicht unbedingt diejenigen, die am meisten dazu beigetragen haben. Das ist ja auch häufig so. Das heißt, da könnt ihr auch eigentlich mit eurer Vorbildfunktion vielleicht vorangehen und auch andere Kliniken, zum Beispiel in Hamburg oder anderswo, vielleicht ein bisschen was mitgeben.

00:23:20: Martin Lackner: Genau das ist auch ein Austausch, dass man einfach voneinander lernt und die Erfahrungen weitergibt.

00:23:27: Jannik Hiddeßen: Jetzt haben wir ja schon recht viel darüber gesprochen, wie man hochprofessionell so ein komplexes System wie eine Klinik energieeffizient machen kann. Kann man sich davon, vielleicht jetzt auch an unser Zuhöher:innen gerichtet, als Privatperson was abschauen? Gibt es da was, das man mitnehmen kann für sein eigenes Zuhause?

00:23:40: Martin Lackner: Ja, man kann das sehr viel mitnehmen. Allein schon das Bewusstsein, dass jeder kleine Beitrag zählt, ist schon ganz wichtig. Und wenn man nur drüber nachdenkt, wie man mit der Beleuchtung umgeht, ob überall alles beleuchtet sein muss, ob man nur die Räume nutzt und beleuchtet, die man braucht, hilft schon. Und der kleine Beitrag, bewusster Umgang mit den Geräten macht auch schon viel aus.

00:24:06: Martin Lackner: Das ist auch ein Aspekt, den wir den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mitgeben wollen: Was sie bei uns lernen, Richtung Energieeffizienz, kann man genauso im privaten Bereich anwenden. Jetzt ist vielleicht nicht mehr so der große Druck da, die Energiepreise beginnen retour zu gehen. Aber es waren schon Phasen dort, wo es relativ teuer war mit der Energie. Und da ist das Bewusstsein relativ stark angewachsen und die Betroffenheit größer.

00:24:31: Martin Lackner: Aber nichtsdestotrotz, auch wenn die Preise runtergehen, muss man an dem Thema dranbleiben.

00:24:36: Jannik Hiddeßen: Ja, jetzt, am Ende unseres Interviews, möchte ich dich, wie alle unsere Gäst:innen nach dem klimaaktiv fragen: Einer Sache, die dir irgendwie im Umgang mit dem Klimawandel und dem Klimaschutz weitergeholfen hast. Hast du was mitgebracht?

00:24:50: Martin Lackner: Ja, ich denk einfach, dass man rausgehen soll in die Natur und überlegen soll, möchte ich die Natur so weitergeben, wie sie jetzt ist, oder ist mir das egal? Ich glaube, das ist, wenn man Kinder hat, immer total wichtig, dass man darüber nachdenkt. Das, was wir als Kinder gehabt haben, das ist jetzt nicht mehr so in der Form da, aber irgendwie muss man doch denken, dass man möglichst den Bestand noch so weiter erhaltet, wie es geht.

00:25:17: Martin Lackner: Und da hilft auch einfach die Natur am meisten.

00:25:21: Jannik Hiddeßen: Das ist ein guter Tipp, denke ich. Danke schön. Dann sage ich Danke für deine Zeit und interessanten Einblicke.

00:25:25: Martin Lackner: Danke.

00:25:27: Jannik Hiddeßen: Ja, und damit sind wir auch schon am Ende der heutigen Folge angelangt. Ich hoffe, du fandest Martins Einblicke genauso spannend wie ich. Unten in den Shownotes findest du einige interessante Links zum Thema Gesundheit und Klima, falls du dich weiter damit auseinandersetzen möchtest. Falls dir die Folge gefallen hat, freue ich mich sehr über ein Follow und eine Bewertung in der Podcast App deines Vertrauens.

00:25:46: Jannik Hiddeßen: Bis zum nächsten Mal. Das war der Klimadialog. Der Podcast von klimaaktiv der Initiative des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. klimaaktiv fördert den Dialog Österreichs am Weg zur Klimaneutralität 2040. Wir zeigen, welche Maßnahmen sinnvoll sind und mit hoher Qualität umgesetzt werden können. Ob beim Bauen und Sanieren, Energiesparen, dem Einsatz erneuerbarer Energien oder in der Mobilität.

00:26:22: Jannik Hiddeßen: Auf www. klimaaktiv.at findest du eine Übersicht über alle Angebote von klimaaktiv. Bis zum nächsten Mal.

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